Scharf und vor allen Dingen bitter: International Olive Oil Award Zurich

Zugegeben, die Award Ceremony des International Olive Oil Award Zurich 2015 war wieder einer dieser Events, bei denen man auf der Rückfahrt im Auto sagt: "Gut, fuhr ich hin."

 

Zwar gab es für mich als kritischer Beobachter in Punkto Preisvergabe wenig Überraschendes. Es gewannen nämlich mehr oder weniger diejenigen Olivenöle, auf die ich im Vorfeld gewettet hatte. Gut, die Quote wäre - wenn ich meine Tipps im Wettbüro hätte einreichen können - mit Sicherheit nicht sehr vielversprechend gewesen. Zu oft haben die in diesem Jahr prämierten Öle in den vergangenen Jahren schon auf dem Treppchen gestanden. Mit einem gewagten Tipp auf einen Aussenseiter wäre die Quote für diesen Wettbewerb mit Sicherheit sehr hoch gewesen. Zumal auch die Chance auf einen Sieg eines Aussenseiters als sehr gering einzustufen gewesen wäre.

 

Zweifelsohne sind die "Siegeröle" des diesjährigen International Olive Oil Award Zurich 2015 gut bis hervorragend. Wenn man das schwierige Olivenjahr 2014 berücksichtigt, sind das beachtliche Leistungen, welche die Erzeuger da abgeliefert haben. Und trotzdem, aufs Podest hätten es in meinen Augen nicht alle prämierten Öle schaffen dürfen.

Sieger, die gar nicht hätten siegen dürfen

So gewann in diesem Jahr am International Olive Oil Award in Zurich El Empiedro von Soc. Coop. Andaluza Olivarera de Priego de Córdoba die "Goldene Olive" und den Länderpreis "Best of Spain". Für mich ist das insbesondere erstaunlich, da das Öl eine starke Trübung aufweist und mit jeder Garantie im Verlaufe der nächsten Wochen und Monate einen deutlichen Geruchs- und Geschmacksfehler aufweisen wird - "muddy sediment". Dieser Fehler entsteht, wenn das Sediment dieser trüben Öle oxidiert und fermentiert. Der Geruch erinnert dann stark an Windeln - allerdings nicht an frische..... Vorbei ist es dann auch mit der Klassifizierung "nativ extra".

 

Dass das Öl zum Zeitpunkt der Panelverkostung in Ordnung war und vielleicht sogar sehr zu überzeugen vermochte, ist vorstellbar. Ganz frische, ungefilterte Öle können nämlich in der Tat hervorragend sein. Jedoch entbehrt es meinem Dafürhalten nach aller Logik, dass man ein solches ungefiltertes Öl mit deutlichem Bodensatz ein halbes Jahr nach Ernte mit einer "Goldenen Olive" bewertet. Für die Konsumenten stellt das nichts anderes als eine Kaufempfehlung dar. Es soll sich dabei - gerade wegen des Awards - um ein besonders gutes Öl handeln. Kauft nun ein Konsument im Sommer dieses Jahres jenes mit der "Goldenen Olive" ausgezeichnete Öl, dürfte er mit grösster Wahrscheinlichkeit mit einem stinkenden Öl in der Küche seine Speisen "verfeinern". Und nach wie vor geht er davon aus, dass das von ihm erstandene Olivenöl - trotz komischen Geruchs - eines der besten überhaupt ist. Schliesslich hat es ja die "Goldene Olive" gewonnen. Das Schweizer Olivenöl Panel bestätigt ihm das. Nicht schön, wie ich finde.

Ich frage bei Annette Bongartz, der Leiterin des Schweizer Olivenöl Panels nach, ob man durch die positive Bewertung naturtrüber Öle beim IOOA Konsumentinnen und Konsumenten nicht auf eine falsche Fährte bei der Suche nach Qualitätsolivenöl führt?

 

Annette Bongartz: "Ich darf Ihre Frage ganz klar verneinen. Bei den Degustationen zum „Olive Oil Award“ (www.oliveoilaward.ch) werden alle Öle gleich behandelt - egal ob filtriert oder ungefiltert. Unser Fokus beim Wettbewerb liegt auf der Beschreibung und Bewertung der sensorischen Eigenschaften aller teilnehmenden Öle zum Zeitpunkt der Degustationen. [...] Mittels Panel Test ist einzig die Frage zu klären, ob ein Öl „extra nativ“ ist oder nicht ... – nicht mehr und nicht weniger. Der Aspekt der Filtration spielt dabei keinerlei Rolle. [...] Dass ein Öl, und das gilt für jedes Olivenöl, aber einem Alterungsprozess unterliegt und unter Umständen auch vor Ablauf der vom Produzenten angegebenen Haltbarkeitsfrist ungewünschte Veränderungen durchläuft und ggf. sogar Fehler entstehen, ist denkbar. [...] Eine „Garantie“ für die zukünftige überragende Qualität von Olivenölen (z.B. in 6, 12, 18 Monaten) können wir logischerweise nicht übernehmen, was aber ganz sicher auch nicht die Aufgabe eines Olivenölwettbewerbs sein kann ... und soll!"

 

(Anm. Red. Die ausführliche Stellungnahme von Annette Bongartz lesen Sie hier)


Das ungefilterte El Empiedro, das früher oder später, jedoch ganz sicher den Fehler "muddy sediment" aufweisen wird.
Das ungefilterte El Empiedro, das früher oder später, jedoch ganz sicher den Fehler "muddy sediment" aufweisen wird.

Allerdings gibt es auch Olivenölwettbewerbe, die mit gutem Beispiel vorangehen und trübe Öle gar nicht erst bewerten. Ich frage in Lamporecchio in der Toskana bei Andreas März, Chefredakteur von Merumpress AG, der Herausgeberin der alljährlichen Merum Selezione Olio – „Italiens strengste Olivenölselektion“, nach den Gründen, warum naturtrübe Olivenöle bei Merum nicht Eingang in die Selektion finden?

 

Andreas März sagt kopfschüttelnd, kurz und knapp: „Nicht alles ist Meinungssache…! Die Trübung beim Olivenöl ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern in erster Linie ein biochemisches. Die Trübung besteht aus Wasser, darin gelösten, endogenen Enzymen, Zucker, Mikroorganismen, festen Olivenbestandteilen, Polyphenolen und vieles mehr. Die Pflanzenenzyme – Polyphenoloxidase, Peroxidase, Lipase, usw. – setzen im trüben Öl ihr zerstörerisches Werk fort, während die Mikroorganismen sich am Zucker zu schaffen machen. Trübes Öl lebt! Leider nicht zum Vorteil der Ölqualität. Die einzige Möglichkeit, die Ölqualität zu stabilisieren, ist das sofortige Filtern. Es gibt nur zwei triftige Gründe, die gegen das Filtern sprechen: die hohen Kosten und der Mangel an Fachkenntnis.“

Auch Rincón de la Subbética erntet die "Goldene Olive"

Rincón de la Subbética von Almazaras de la Subbética ist ebenfalls ein ewiges Zürcher Siegeröl. In meinen Augen allerdings zumeist überbewertet. Weil auch nicht gefiltert und sehr schnell alternd. In diesem Jahr überzeugt mich dieses Öl nicht. Es gibt heuer Hojiblanca-Öle, zwischen welchen und dem RdlS in Punkto Qualität und Erlebnis ganze Welten liegen. Doch, nicht nur das: Auch andere andalusische, nicht aus Hojiblanca-Oliven gewonnene Öle, die dieses Jahr am International Olive Oil Award Zurich teilnahmen, wären besser zu bewerten gewesen als RdlS. Diese Tatsache hat das Panel von Wädenswil allerdings nicht erkannt.

Es gab auch Gutes. In Wädenswil.

Das Wädenswiler Panel hatte allerdings auch Höhepunkte zu verzeichnen: LA Organic von La Amarilla de Ronda, S.L., welches zwar auch von Almazaras de la Subbética hergestellt wird, ist wirklich top. Tolle Frucht, schöne Länge, blättrig-grüne Noten, gut ausbalanciertes Bitter-/Schärfeprofil. Ein geniales Öl, wie ich finde. Gold geht hier für mich völlig in Ordnung.


Auch das sizilianische Bell'Omio Bio hat meiner Meinung nach zu Recht die "Goldene Oliven" erhalten. Ein tolles Öl.

Beurteilungsmethodik der Öle durch das Schweizer Olivenöl Panel ist fraglich

Die Bewertungsresultate des IOOA 2015 werfen Fragen auf. Warum?

  1. Der Internationale Olivenölrat – IOC – gibt vor, dass verkostete Olivenöle zwischen den drei Fruchtigkeitskategorien „Leichtfruchtig“, „Mittelfruchtig“ und „Intensivfruchtig“ zu unterscheiden sind. Folglich ist es fragwürdig, warum das SOP in Wädenswil „Intensität“ und „Fruchtigkeit“ separat zu bewerten versucht und dabei zwischen den an und für sich „gleichen“ Kategorien teilweise so grosse Unterschiede – vermeintlich – feststellt.
  2. Den Bewertungspunkt „Harmonie“ ist beim IOC für Olivenölbeurteilungen nicht vorgesehen. Von Harmonie spricht man, wenn Fruchtigkeit, Bitterkeit und Schärfe in ihren Ausprägungen ähnlich sind und daher eine gute Balance bilden – bspw. Fruchtigkeit 8.2, Schärfe 8, Bitterkeit 7.8. Die vom SOP angegebene Harmonie korrespondiert offensichtlich nicht mit dieser Vorstellung und wird eher willkürlich bewertet. Es ist, wie im Beispiel dargestellt, nicht zu erklären, warum „El Empiedro“ eine höhere Harmonie zugesprochen wird als etwa „Oro Bailén Reserva Familiar Picual“.

Ich bitte auch hier um Stellungnahme aus Wädenswil: "Frau Bongartz, in meinen Augen korrespondiert das Bewertungsverfahren beim IOOA nicht mit jenen von anderen internationalen Wettbewerben. Warum nicht?"

  

Annette Bongartz: "[...] Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass wir einen Vergleich zu anderen methodischen Bewertungskonzepten bei anderen Veranstaltungen leider kaum ziehen können, da die wenigsten Wettbewerbe, anders als der Olive Oil Award, ihr Bewertungsverfahren völlig transparent und öffentlich darstellen. Da das Bewertungsverfahren des IOOA aber veröffentlicht ist, bietet es – das liegt in der Natur einer offenen Kommunikation - natürlich auch Potential, einzelne Punkte kritisch zu hinterfragen. [...] versucht man hier aber dennoch in die Tiefe zu gehen, finden sich tatsächlich keine / kaum Öle, welche beim IOOA einen Preis erlangt haben und bei anderen Wettbewerben nicht. Das ist schon mal eine Tatsache! [...] Ihre Aussage, dass unser Bewertungsverfahren „eigenwillig“ sei, ist somit wirklich hinfällig – es sei denn, man würde diese „Eigenwilligkeit“ als „Einzigartigkeit“ interpretieren und damit hervorheben wollen [...]"


(Anm. Red. Die ausführliche Stellungnahme von Annette Bongartz lesen Sie hier)

Gewinneröle haben nicht selten Bezug zu einzelnen Jurymitgliedern

Wie bereits im letzten Jahr kritisiert fällt auch in diesem Jahr auf, dass viele Produzenten von "Gewinnerölen" in einer Geschäftsbeziehung zu einzelnen Jurymitgliedern des IOOA (International Olive Oil Award) stehen. Zufall oder eiskaltes Kalkül? Ich möchte dem Schweizer Olivenöl Panel nicht vorwerfen, dass es die Verkostungsergebnisse so zu recht biegt, dass die Resultate die Abverkäufe der entsprechenden Öle fördern, dennoch bleibt für mich nach diesem International Olive Oil Award ein - bei Olivenölen liebe ich ihn, sonst verachte ich ihn - bitterer Nachgeschmack.

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THE MASTER SAYS:

«Echtes natives Olivenöl extra macht aus Gutem das Beste. Es bringt die Food Revolution in die Restaurants und in die Küchen zu Hause. Wer einmal echtes EXTRA VERGINE gekostet hat, weiss es fortan zu schätzen. Viel mehr noch: ....er differenziert damit das Gute vom Schlechten. Das ist gut so.»

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