Blanker Hohn: Wie der Gesetzgeber Prioritäten setzt

Velofahren und Olivenöl haben eigentlich gar nicht viel miteinander zu tun. Und dieser Blog handelt denn auch nicht von gemütlichen Bicicletta-Touren durch den schönen Oliveto in Bolgheri (siehe Bild), sondern vielmehr davon, wie der Gesetzgeber in der Schweiz seine Prioritätenliste gestaltet.

 

Dass ich den Schweizer Lebensmittelhütern in Bezug auf Olivenöl!! kein gutes Zeugnis ausstelle, ist Ihnen vermutlich bekannt. Ich habe des Öfteren schon darüber geschrieben. Seit heute Morgen allerdings bin ich mir bewusst, dass meine Bemühungen, den Bund und die Kantone zu einem koordinierten Vollzug der Olivenölverordnung zu bewegen, einer Sisyphosarbeit gleichen. Es scheint fast aussichtslos, diesen schweren Brocken hoch zum Ziel rollen, sprich die Behörden in Sachen Olivenölsicherheit zur Vernunft bringen zu können. Stetig drückt der Koloss mit seiner schieren Masse in die dem Ziel entgegengesetzte Richtung. Er scheint, den Weg des geringsten Widerstands gehen zu wollen. 

Das Kantonale Labor Zürich testete im Auftrag des  Bundes 36 Olivenöle.

Heute Morgen erreichte mich eine E-Mail eines guten Freundes, der seit zwei Jahren regelmässig Olivenöle bei mir bestellt. Er hat sich in die richtig intensiven, grünen, pfeffrigen und bitteren Sorten verliebt. Er hat verstanden, was andere wohl nie verstehen werden (wollen). In der besagten E-Mail an mich schickte er mir kommentarlos folgenden Link:

 

https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz_espresso/widerspruechliche-resultate-bei-olivenoel-tests

 

Dieser führt mich auf die Webseite des Vereins Schweizer Radio und Fernsehen, kurz SRF. Ich lese den abgedruckten Artikel des Kassensturz- und Espresso-Testredakteurs Rolf Muntwyler sorgfältig durch und höre mir einige Stunden später, während ich mit dem Auto im Stau stehe, auch den Audiopodcast an. Muntwyler hat bei Recherchen in Erfahrung bringen können, dass nebst Stiftung Warentest, dessen Daseinsberechtigung ich nach Bekanntwerden des jüngsten Olivenöltests immer stärker hinterfrage, auch der Bund, sprich das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit, kurz BLV, fast gleichzeitig einen Olivenöltest in Auftrag gegeben hatte. 36 Proben haben die Zöllner im Rahmen dieser Kampagne erhoben und diese zur chemischen Untersuchung an das Kantonale Labor nach Zürich geschickt. Resultat: Alle 36 geprüften Olivenöle sind gesetzeskonform. Die Lebensmittelhüter hatten nichts zu bemängeln. 

 

Rolf Muntwyler, welcher schon einige - zugegebenermassen zum Teil sehr fragwürdige - Olivenöltests für die Konsumentenschutzsendung Kassensturz organisiert hat, traute dem Testresultat des Bundes nicht über den Weg und kontaktierte deshalb die für den Test verantwortliche Stelle des BLV. Dr. Urs Bänziger seines Zeichens Leiter Fachbereich Lebensmittelüberwachung beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen erklärte gegenüber Muntwyler, wie dieser sagte, dass auch er (Dr. Urs Bänziger) vom Testresultat überrascht sei, eine Erklärung, warum die getesteten Öle nun «gut» abschnitten, habe er leider auch nicht. Weiter meinte Dr. Bänziger, dass die Untersuchung zeige, dass sämtliche getesteten Öle die gesetzlichen Richtlinien erfüllen und man weiterhin «dranbleiben» müsse.

Von «gebundenen» Händen und tauben Ohren

Was hat Dr. Bänziger denn erwartet? Dass eines dieser durch das Kantonale Labor Zürich getesteten Olivenöle die gesetzlich festgelegten chemischen Parameter nicht einhalten könne? Seit Jahren geht es doch beim grossen Olivenölbetrug weniger um die chemischen als um die sensorischen Grenzwerte. Während die chemischen Grenzwerte für Qualität und Authentizität von den Gesetzgebern (EU, die Schweiz hat die Verordnung der EU umfassend übernommen) schon seit je her bewusst locker gehalten wurden, sind die oftmals als «weiche» Parameter bezeichneten Anforderungen an die Sensorik von nativen Olivenölen extra dagegen sehr, sehr streng. Und während man Apparaturen und Maschinen nicht bestechen kann, lassen menschliche Panels, welche für die sensorische Beurteilung von Olivenölen zuständig sind, je nach Geldsumme den Fünfer mal gerade stehen, sprich sie winken fragwürdige Öle auch gerne mal durch. Es scheint also klar, dass Abfüller mit tendenziell mafiösen Absichten eher darum bemüht sind, mit ihren minderwertigen Produkten, die niemals Extra Vergine heissen dürften, die chemischen Grenzwerte bei Olivenöl einzuhalten, als dass diese die Olivenölsensorik für den Absatzerfolg ihrer zweifelhaften Produkte als wesentlich betrachten würden. Sie pfeifen auf die Sensorik. Deshalb stinken ihre Öle auch. Deshalb und nur deshalb ist die strikte und unabhängige sensorische Überprüfung von Olivenölen ein derart wichtiges Thema. Denn nur durch eine rigorose sensorische Überprüfung der als «Extra Vergine» etikettierten Öle, können die Lebensmittelsicherheitsbehörden der Lage Herr werden.

 

Warum sich Dr. Urs Bänziger, Verantwortlicher für die Testkampagne des Bundes, über die Resultate des jüngsten Tests, in welchem auch ein Olivenöl, welches meine Handelsgesellschaft evoo ag vertreibt, chemisch überprüft wurde, wundert, scheint mir unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ich Herrn Bänziger die Sachlage verständlich und schriftlich dargelegt hatte, ein Rätsel. Offenbar scheint er nicht gehört zu haben oder noch nicht verstehen zu wollen, wie das Spiel gespielt wird. Vielleicht nur so viel: Bund und Kantone schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. So hat Dr. Urs Bänziger mir gegenüber vor etwas mehr als einem halben Jahr via Antwort-E-Mail beteuert, dass dem Bund im Moment die Hände gebunden seien und der Vollzug der geltenden Olivenölverordnung in den Zuständigkeitsbereich der Kantone falle. Diese jedoch haben - wie schon oft von mir berichtet - das Know-How und die finanziellen Ressourcen nicht, diesen Vollzug durchzuführen. Sie wünschen vom Bund ein Konzept und finanzielle Unterstützung. Doch auch da hat Bern die Ohren zu.

Velosättel und Veloglocken

Angesichts dieser Situation ist es blanker Hohn, dass ich neben den Neuigkeiten Rolf Muntwylers zur Scheinübung des Bundes auch noch folgende Nachrichten über die Radio-Antenne vernehme: «Die Glocke am Velo ist Geschichte. Seit Mitte Januar ist sie nicht mehr Pflicht. Der Bundesrat hat die Bestimmung aus der entsprechenden Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge sang- und klanglos gestrichen, wie die «Aargauer Zeitung» und die «Südostschweiz» am Mittwoch vermeldeten.» Doch damit nicht genug, die sieben Landesführer haben auch dafür gesorgt, dass die Sattelpflicht! beim Führen eines Fahrrades entfällt. Gemäss Pro Velo ist der Grund dafür, dass vermehrt fahrradähnliche Fahrzeuge auf dem Markt auftauchen, die mit einer crosstrainerartigen, elliptisch zu bewegenden Laufpedalerie ausgerüstet sind und ohne Sattel stehend gefahren werden. Und «mit dem Wegfallen der Sattelpflicht entfällt auch die Pflicht, dass Velofahrer sitzen müssen und Kinder sitzend die Pedale treten können müssen», schreibt Pro Velo auf der Webseite zu den Gesetzaufhebungen durch den Bundesrat.

 

Zur Freude der Fahrradfahrenden sei gesagt, dass ich es ihnen von Herzen gönne, dass sie endlich ohne Sattel und Glocke radeln dürfen. Allerdings befremdet es mich - dieses Beispiel zeigt es dramatisch - wie der Bundesrat seine Priortitäten organisiert. Ich empfehle hierzu den Artikel des Satirikters Dr. Luzart - «Reif für die Psychoanalyse».

 

Liebe Leserinnen und Leser, es scheint, als müssten wir weiterhin ohne Mithilfe von Bund und Kantonen und jetzt auch noch ohne Fahrradsattel gegen den Betrug beim Olivenöl kämpfen. Das kann ja heiter werden.....

 

 

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THE MASTER SAYS:

«Echtes natives Olivenöl extra macht aus Gutem das Beste. Es bringt die Food Revolution in die Restaurants und in die Küchen zu Hause. Wer einmal echtes EXTRA VERGINE gekostet hat, weiss es fortan zu schätzen. Viel mehr noch: ....er differenziert damit das Gute vom Schlechten. Das ist gut so.»

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