Wie weiter mit Bertolli & Co.? Das grosse Interview mit Pierluigi Tosato, CEO und Chairman von Deoleo

Pierluigi Tosato, CEO und Chairman von Deoleo SA, im grossen Interview mit dem Master of Olive Oil
Pierluigi Tosato, CEO und Chairman von Deoleo SA (Bild: zvg)

Olivenöl und Betrug sind zwei Begriffe, die in der Vergangenheit oft miteinander im Zusammenhang stehend in Zeitungen, Fernsehberichten, Radioreportagen, Behördenmitteilungen oder Blogs aufgetaucht waren. Eine Branche, die durch die vielen zig Skandale der jüngeren Geschichte beinahe all ihre Glaubwürdigkeit verspielt hat, ist dabei, sich selber abzuschaffen. Der erbitterte Preiskampf im Rennen um Regalplätze in den grossen Lebensmitteleinzelhandelsketten wirkt dabei wie Brandbeschleuniger. Wer trägt die Schuld an der grossen Qualitäts- und Wertekrise beim Olivenöl? Sind es die Olivenölproduzenten selber, die immer ärmer werdenden Olivenbauern, die grosse Abfüllerindustrie oder sind es die noch grösseren Lebensmitteleinzelhandelsketten, die sich in mächtigen Einkaufsallianzen zu gigantischen Einkaufsbollwerken formieren und so der Industrie die Preise diktieren können? Gibt es für die Olivenölbranche reelle Chancen, sich aus dieser immer schneller drehenden Abwärtsspirale befreien zu können? Der weltgrösste Olivenölabfüller Deoleo, der sich unter dem neuen CEO und Verwaltungsratspräsidenten, Pierluigi Tosato, reformieren will, sagt: "ja". Bertolli Olivenöle sollen in Zukunft besser und deshalb auch teurer werden. Im grossen Interview mit dem Master of Olive Oil verrät Tosato uns, wie Deoleo mit gutem Beispiel vorangehen und so eine ganze Industrie rehabilitieren will.

 

Die Olivenölindustrie steckt seit Jahren in einer existenziellen Krise. Bestes Beispiel dafür ist der substanzielle Zerfall des weltgrössten Olivenölabfüllers Deoleo SA., welcher seit 2010 einen Drittel seines Umsatzes eingebüsst hat, 2016 in Italien wegen Konsumententäuschung zu einer Busse von 300'000 Euro verdonnert wurde und nun in den USA einen jahrelangen Rechtsstreit mit der Zahlung von 7 Millionen US-Dollar beilegt. Neben Bertolli-Abfüller Deoleo gab es in jüngerer Vergangenheit aber viele weitere Unternehmen, die in unappetitliche Ölgeschichten involviert waren. Betrug und Olivenöl sind zu einer homogenen Phase verkommen.

 

Bert Gamerschlag, Udo Gümpel und Johannes Röhrig vom stern schrieben in der Druckausgabe vom 18.06.2014 treffend: «Wer es sich schmecken lassen will, kauft Olivenöl. Aus Italien, "extra vergine"! Doch statt Spitzenqualität steht im Supermarkt oft gepanschte Ware. Auf den Spuren eines Lebensmittelskandals.» 

 

Damals, 2012, geriet die Azienda Olearia Valpesana (AOV) nach einer routinemässigen Steuerprüfung in den Fokus der italienischen Lebensmittelbehörden. Die Guardia di Finanza hatte daraufhin unter dem Vorwand, Steuerunterlagen der AOV nochmals prüfen zu müssen, die Büros des grossen Ölhändlers und -mischers verwanzt. Die daraus entstandenen Abhörprotokolle dokumentierten eindrücklich, wie der Verbraucher bei Olivenöl hinters Licht geführt wird. stern schrieb damals, dass mindere, für den Verzehr nicht zugelassene Ware mit nur wenig besseren Qualitäten so lange gestreckt würde, bis das daraus entstehende Endprodukt die geltenden chemischen Grenzwerte gerade so erreichen könne. 

 

Deoleo zählte zu seiner Zeit zu AOVs Kunden. Im Jahr 2010 waren es 4 Millionen Liter. 2012 bezog der grösste Abfüller der Welt vom Ölmischer aus Monteriggioni bei Siena nach eigenen Angabe deutlich weniger Öl - nämlich nur gerade 0.3 % seines jährlichen Gesamtvolumens. Nie sei das von ihm bezogene Öl von minderer Qualität gewesen, beteuerte Deoleo SA damals. Ein anderer, der Selbes nicht von sich hatte behaupten können, war der grosse Abfüller Salvadori aus Scandicci bei Florenz. Bei der Durchsuchung der AOV stiess die Polizei auf konkrete Ölmischanweisungen für ein REWE-Olivenöl Salvadoris. Acht verschiedene Öle, wovon einige Lampantöle aus Spanien waren, wollte Salvadori vereint in einem fertigen Gemisch seinem Kölner Kunden Rewe unterjubeln. Ob diese grausige Mixtur tatsächlich in den Läden Rewes landete, konnten die damaligen Ermittlungen laut stern nicht beantworten. Nur so viel sei an dieser Stelle gesagt: Rewe selbst konnte die Lieferkette damals ebenso wenig nachvollziehen, was nicht gerade für den bekannten deutschen Lebensmitteleinzelhändler spricht.

 

Die Verschiebung von Prioritäten und Bedürfnissen mögen zu diesem Qualitäts- und Wertezerfall beim Olivenöl geführt haben. Essen ist heute vielen Menschen nicht mehr "so viel wert". Die Befriedigung anderweitiger Bedürfnisse verschlingt in der aktuellen Zeit einen grossen Teil manchen Haushaltsbudgets. Ganz alleine schuld am Niedergang der Olivenölqualität ist der Konsument aber vermutlich nicht. Ebenso dürften es die grossen Lebensmitteleinzelhandelsketten sein, die Olivenöl mit ihrer aggressiven und kurzsichtigen Einkaufspraxis, stets bestrebt, möglichst günstigst einzukaufen, zu einer Ware haben verkommen lassen. Dass als nativ extra gekennzeichnetes Olivenöl in manchem Geschäft fast gleich billig ist wie Sonnenblumenöl, zeigt, wie einige Einkaufsorganisationen heutzutage ticken. Es ist an Dekadenz kaum mehr zu überbieten, sollten die Folgen dieses Tuns doch allen bewusst sein: Irgendwo muss dieser Preiszerfall kompensiert werden. Im Falle von Olivenöl passiert das massgeblich im Olivenhain, wo der Olivenbauer keine gesunden Früchte mehr gewinnen kann, weil man ihn dafür nicht bezahlt. In der Mühle werden die schlechten Oliven zu lange bearbeitet, um ihnen möglichst viel Öl abringen zu können. Bei den Mischern und Abfüllern werden die ungenügenden Öle dann so oft so lange gestreckt und desodoriert, bis das fertige Gemisch zumindest die lächerlich hohen gesetzlichen chemischen Grenzwerte einhalten kann. Was dann im Supermarkt landet, ist, wie vom stern 2014 beschrieben, "oft gepanschte Ware". 

 

Wer in der Vergangenheit "Panschereien" aufdecken wollte - wie es etwa der stern 2004 versucht hatte, wurde mit Drohungen eingedeckt oder - wie im Fall von Andreas März - vor Gericht gezerrt und mit einem jahrelangen Prozess belastet (Carapelli reichte gegen März im Zusammenhang mit der Olivenölprüfung des stern im Jahr 2004 Straf- und Zivilklage ein. März gewann den Prozess 2009: Er wurde freigesprochen). Die Olivenölindustrie auf Abwegen, fern ab von jeglicher Glaubwürdigkeit und Empathie gegenüber ihren eigenen Konsumenten. Der Kampf um immer billigeres Olivenöl hat viele Marktteilnehmer in die Illegalität getrieben - Abfüller wie Lebensmittelhändler.

 

Dieser desaströsen Entwicklung will sich der angeschlagene Abfüller Deoleo nun entziehen. Damit das gelingt, wurde der italienische Samurai-Manager Pierluigi Tosato angeheuert. Er soll den grössten Olivenölabfüller der Welt mit Sitz in Madrid aus der Krise führen, sauber und wieder rentabel machen. Was er seit seinem Amtsantritt 2016 schon geleistet hat und welche Aufgaben noch auf Bertolli & Co. warten, erfahren Sie im grossen Interview.


DAS GROSSE INTERVIEW MIT PIERLUIGI TOSATO

Herr Tosato, wie geht es Ihnen?

Pierluigi Tosato: «Vielen Dank der Nachfrage. Mir geht es immer gut.»

 

Das freut mich zu hören. Herr Tosato, Deoleo hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 90 % weniger Verlust erzielt als 2016. Dennoch liegt der Jahresverlust 2017 bei rund 18.3 Mio. Euro. Wie gut geht es Ihrem Unternehmen Deoleo?

«Wir arbeiten daran, die Verluste zu reduzieren. Vor kurzem hat der Verwaltungsrat neue Geldmittel für das Unternehmen bewilligt, konkret 50 Mio. Euro – von denen 25 Mio. durch eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals und weitere 25 Mio. durch Verschuldung vorgesehen sind. Mit mehr Finanzkraft werden wir die Investitionen in unsere Marken in den Hauptmärkten erhöhen und werden die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Lieferanten, die wie Deoleo besonderen Wert auf Qualität, Innovation, Rückverfolgbarkeit und letztendlich Wertschöpfung in unserer Branche legen, fortführen.»

 

Ihre Tochtergesellschaft in den USA, die Deoleo USA Inc. legt am 10. Mai 2018 einen jahrelangen Rechtsfall infolge einer Sammelklage mit der Zahlung von 7 Millionen Dollar bei. Ist diese Zahlung als Schuldeingeständnis zu werten?

«Keineswegs, Deoleo hat besagte Forderungen entschieden abgelehnt, da wir diese als unbegründet verstehen. Die Einigung ist auf eine Rechenaufgabe zurückzuführen. Dieser Prozess hielt bereits mehrere Jahre an, in denen sehr hohe Kosten für uns entstanden sind. Die neue Verfahrenssituation könnte dazu führen, dass sich der Prozess weiter verlängert oder auf andere Staaten ausweitet. Also haben wir die Optionen durchgerechnet und diese nun erzielte Einigung ist die Lösung, die Deoleo am wenigsten belastet.»

 

Rein finanzielle Überlegungen also. Können Ihre US-amerikanischen Kunden nun trotzdem besseres Bertolli-Olivenöl erwarten? 

«Zweifellos, aber nicht als Folge von der Sammelklage, sondern durch die Fokussierung auf Qualität, welche die Gesellschaft hat. Wir suchen nach den besten nativen Olivenölen extra der Welt, wir sind die Experten im Blending, wir haben US-amerikanische Verbraucher nach ihren Vorlieben gefragt. Es ist eine Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben und wir sind überzeugt, dass sie Früchte tragen wird.»

 

Es ist gemeinhin bekannt, dass das Gros der Konsumenten in Bezug auf Olivenölqualität ziemlich ahnungslos ist. Sie können mir nicht sagen, dass es nun ausgerechnet US-amerikanische Konsumenten waren, die von Deoleo besseres Olivenöl gefordert haben?

«Wir haben diese Schritte für unser gesamtes Portfolio eingeleitet. Die Marktforschung hat ebenfalls in Italien, Deutschland, Frankreich und Spanien stattgefunden, um die Vorlieben der Konsumenten weitestgehend abzudecken. Darüber hinaus halten wir uns auf dem aktuellsten Wissenstand bei heiklen Themen wie z.B. bei den Mineralölen. Die laufenden Verbesserungen fließen ebenfalls bei unseren Produkten in der Schweiz mit ein.»

Herr Tosato, Sie sind 2016 zu Deoleo gestossen, um das Unternehmen zu reformieren. Ganz ehrlich, wie gehen Sie mit dem grossen Druck um, der auf Ihren Schultern lastet?

«Ich bin eine Person, die nicht nur vor Herausforderungen zurückschreckt, sondern diese sucht. Deoleo hat das weltweit beste Olivenöl-Marken-Portfolio. Es stimmt, dass die letzten Jahre für das Unternehmen Deoleo krampfhaft und aufgrund der hohen Olivenölpreise und der Kommodifizierung des Produktes durch Marktteilnehmer mit kurzsichtiger Vision für die Branche im Allgemeinen sehr negativ waren. Wir müssen die Branche umwandeln und mit den Konsumenten arbeiten. In diesem Prozess befinden wir uns bereits und wir werden unsere Zielsetzung erreichen.»

 

Sie müssen mir doch beipflichten, dass nicht in erster Linie “hohe” Olivenölpreise die Branche in eine tiefe Krise gestürzt haben, sondern der Grund dafür viel mehr in rechtlichen Verfehlungen der Olivenölunternehmen wie auch der Lebensmitteleinzelhandelsketten und – wie Sie es sagen – in kurzfristigen Visionen ebensolcher Marktteilnehmer zu sehen sind?

«Das können wir so nicht teilen. Der Olivenölkonsum ist in den Hauptmärkten wie Italien und insbesondere Spanien preislich bedingt zurückgegangen. In anderen Ländern ist der Olivenölabsatz hingegen stabil. Was die Reputation angeht, können wir für den deutschsprachigen Raum beispielsweise bestätigen, dass die Konsumenten keine negative Wahrnehmung haben.»

 

 

 

 

«Deoleo wird mehr

Geld für den Kauf

von besserem Olivenöl

investieren.»

- Pierluigi Tosato

 

 

 

 

Angesichts der von Deoleo angekündigten Investition von 50 Mio. Euro zur Stärkung der Hauptmarken und zur Steigerung der Qualität und Rückverfolgbarkeit der Produkte habe ich Sie jüngst gefragt, ob Deoleo zum Wolf im Schafspelz mutiere. Sie haben das klar verneint und mir empfohlen, Ihr Buch "Samurai Manager" zu lesen, um zu verstehen, dass Sie es mit der Transformation bei Deoleo ernst meinen. Von welchen Etappen-Zielen bei Deoleo kann mir der Samurai-Krieger Tosato heute berichten? Gibt es Punkte, in denen sich der weltgrösste Olivenölabfüller seit Ihrem Antritt 2016 verbessert hat?

«Das Buch spricht über vier Entwicklungsstufen in einem Unternehmen (1. Ausmerzen von dem, was keinen Wert erzeugt; 2. ein stabiles Fundament kreieren; 3. ein Vertrauensklima fördern; und 4. einen gemeinsamen Traum erreichen). Wir haben es selbstverständlich geschafft, bereits viele Sachen bei Deoleo zu verbessern. Wir kommen aus einer ernsten Reputationskrise, die uns besonders in meinem Heimatland Italien getroffen hat, aus einer Finanzkrise sowie aus einer Situation mit fehlender strategischer Fokussierung. Deoleo ist immer noch Weltmarktführer in der «Olivenölvermarktung», allerdings ist die neue Deoleo heute ein ganz anderes Unternehmen. Unser Ruf ist heute sowohl auf institutioneller Ebene wie auch in der Landwirtschaftswelt sehr gut, denn jeder hat verstanden, wohin wir gehen wollen und unsere Botschaft gefällt allen. Wir haben noch sehr viel zu tun, weil wir unsere neue Qualitätsphilosophie an den Markt und den Konsumenten weitergeben müssen. Ich würde sagen, dass wir uns in der zweiten Phase befinden, die im Buch dargestellt wird.»

 

 

Wird Deoleo künftig mehr Geld und Aufmerksamkeit in das Sourcing besserer Rohstoffe (Olivenöle) investieren?

«Selbstverständlich, und Deoleo wird nicht nur mehr Geld investieren, sondern wird weitere Abkommen wie mit Viñaoliva in Spanien und dem FOOI in Italien erzielen. Was die Branche braucht, sind hochwertige Rohwaren, um dem Konsumenten das zu geben, wonach er verlangt. Deshalb müssen wir die Verfügbarkeit dieser Rohwaren sicherstellen können. Es gibt Landwirte, die seit Jahren an ihren Olivenhainen arbeiten und in sie investieren und bemerken, dass eine kurzsichtige Vision für sie gefährlich ist. Olivenöl ist etwa fünf Mal teurer als andere Fette. Wenn der Konsument sich dessen Vorteile nicht bewusst ist, warum wird er es konsumieren? Wir erklären den Landwirten, dass, in dem an Qualität gearbeitet wird, der Konsument bereit ist, den Mehrwert zu zahlen. Wir gehen deshalb mit ihnen gemeinsam Anbaumethoden, Erntemethoden, usw. an und wir garantieren ihnen einen fairen Preis für ihre Olivenöle. Die Landwirte verstehen unsere Botschaft und wir werden mit ihnen weiter voranschreiten, denn dies ist der einzige Weg, um der Branche ihren Mehrwert zurückgeben zu können.»

 

 

Diese neue «Sourcing-Strategie» Deoleos hört sich vernünftig und nachhaltig an. Sie bedeutet aber auch, dass Sie das finale Produkt auch zu einem höheren Preis absetzen müssen, da sonst Ihre Marge darunter leiden würde?

«Höhere Qualität im Sourcing bedeutet eine frühere Ernte von grünen Oliven und somit eine geringere Gewinnung von Olivenöl für die Landwirte. Wir schließen nach und nach mehr Abkommen mit ihnen, um für uns höhere Qualität sicherstellen und für die Landwirte einen Einkommensausgleich erzielen zu können. Dieses Produkt hat schlussendlich eine höhere Qualität und einen höheren Abgabepreis, ja.»

 

 

 

Wie realistisch ist es denn, dass erstens die grossen Lebensmitteleinzelhandelsketten und zweitens die Konsumenten höhere Preise etwa für Bertolli bezahlen würden?

«Durchaus realistisch. Die Qualitätserwartungen von Handel und Konsumenten werden immer höher, das Verständnis, einen höheren Preis für nachweisbare und höhere Qualität bezahlen zu müssen, ist da.»

 

Diese Ansicht kann ich in Bezug auf den Olivenölmarkt in der DACH-Zone nicht mit Ihnen teilen. Meine Erfahrung ist die, dass die meisten Supermärkte durchs Band als «Extra Vergine» etikettierte Olivenöle ungenügender Qualität anbieten. Hin und wieder werden Sortimente mit zwei, drei wirklich guten Olivenölen aufgehübscht, welche aber kaum Rotation haben, weil diese guten Produkte im Vergleich zur Massenware viel teurer sind. Warum also sollten die grossen Lebensmitteleinzelhandelsketten, welche unter anderem von Deoleo bedient werden, ihre Olivenölstrategie ändern? Das würde womöglich in Rotations-, Umsatz- und Renditeverlusten resultieren. Bertolli-Olivenöl kann nach diesen Überlegungen eigentlich gar nicht teurer werden?

«Nachhaltig hohe Qualität ist unser Leitmotiv. Hohe Qualität wird in verschiedenen Produktkategorien von Konsumenten durch eine höhere Wiederkaufsrate belohnt. Wenn das Produkt überzeugt, ist die Zahlungsbereitschaft und somit langfristig die Rotation sichergestellt. Positive Beispiele zeigt der Schweizer Olivenöl-Markt.»

 

Welches Beispiel können Sie mir konkret nennen?

«Monini, 100 % italienisches natives Olivenöl extra.»

 

 

 

 

«Es werden tiefere

Preise verlangt, ohne

die damit verbundene

niedrige Qualität

zu berücksichtigen.»

- Pierluigi Tosato

 

 

 

 

Sie haben letztes Jahr, nach knapp einem Jahr im Amt als Deoleo CEO eine treffende Einsicht erlangt: Das Olivenölbusiness ist ein Suizidmodell. In Andalusien hat es nach Jahren der Trockenheit in diesem Frühjahr wieder einmal kräftig geregnet. Als Folge fallen die Preise für Olivenöl ins Bodenlose. Andalusisches Picual-Olivenöl wurde am 20.04.2018 für € 3.10 / kg gehandelt. Nun trifft also genau das Gegenteil von dem, was Sie sich erhofft haben, ein. Die Lebensmitteleinzelhandelsketten werden für ihre Olivenöl-SKU Preisnachlässe fordern. Wie reagieren Sie darauf?

«Die Preisfluktuation ist Teil des Suizidmodells, das gilt in beide Richtungen. Die von Deoleo gekaufte Rohware entspricht nicht den durchschnittlichen Börsenpreisen. Deoleos Preise basieren auf der sorgfältigen Auswahl der Rohware. Die Auswahl erfolgte nach dem Austausch und dem Besuch von ca. 400 Herstellern, Olivenbauern und Landwirtschaftsvereinigungen, mit welchen wir Abkommen schlossen. Wir haben hohe Qualitäts-Standards, die dauerhaft eingehalten werden, und Geschmacksprofile, die sich an Konsumentenvorlieben orientieren. Dies alles ist Teil unserer Qualitätsstrategie, welche den Preis definiert, weshalb dieser nicht vergleichbar ist mit den Börsenpreisen.»

 

Was heisst das für Deoleo konkret? Fordern die Lebensmitteleinzelhandelsketten nun tiefere Einkaufspreise für ihre Bertolli- und Carapelli-SKUs, sprich orientieren sich die riesigen Einkaufsallianzen, in welchen sich die Händler vereinigen, an den Börsenpreisen?

«Ja, es wird teilweise bereits angesprochen, ohne dabei die damit verbundene niedrige Qualität, die bei diesen Durchschnittspreisen geboten wird, zu berücksichtigen.»

 

Könnte die Einführung von normalen "Vergine"-Olivenölen für Deoleo eine valable Lösung sein?

«Diese Option ist mit unseren Qualitätsansprüchen unvereinbar.»

 

Glauben Sie nicht, dass die Vermarktung von «Vergine» Olivenölen zur Entspannung der Lage der gesamten Branche beitragen könnte?

«Wenig. In Spanien, einem Land mit anderem historischen Hintergrund, wird es vermarktet, in Italien wiederum nicht (etwa 0,1% vom Gesamtmarkt). In Spanien ist der Preiswettbewerb ebenfalls sehr hoch. In D-A-CH erwartet der Konsument «Extra Vergine» Olivenöle.»

 

Würde ein strikter Vollzug des Lebensmittelgesetzes in Europa, sprich, wenn als Extra Vergine etikettierte Olivenöle minderer Qualität aus den Regalen der Lebensmitteleinzelhandelsketten entfernt werden müssten, Ihrer grossen Problemstellung Abhilfe schaffen?

«Wir arbeiten an unserer eigenen Qualität und stellen uns den Kontrollen gerne. Diese sollten für alle Marktteilnehmer in allen Ländern strikt vollzogen werden.»

Im Moment können Sie aber nur hoffen, dass dieser Vollzug nicht allzu früh beginnt, da es sonst auch Ihre Bestände in den Regalen der Supermärkte treffen könnte.

«Unsere Ware kann jederzeit getestet werden. Unter Einhaltung der vorgegebenen Aufbewahrungsvorgaben wird im Supermarkt gegenwärtig die auf den Etiketten unserer Olivenöle angegebene Qualität ebenfalls eingehalten.»

 

Die in der Schweiz erhältliche Marke Bertolli Originale ist meiner Beurteilung nach kein Extra Vergine. Die Schweizer Konsumentensendung Kassensturz hat meinen Eindruck über Ihr Bertolli Originale Olivenöl spätestens in der Sendung vom 03.05.2016 durch einen Paneltest des Schweizer Olivenöl Panels bestätigt. Ich nehme an, Sie sind froh darüber, dass das Schweizer Rechtssystem das Modell der Sammelklage nicht kennt?

«Das von Kassensturz getestete Bertolli Originale war bei der Prüfung unserer Rückstellproben in den chemischen-physikalischen und organoleptischen Parametern stets fehlerfrei, selbst wenn es nicht als bestes abgeschnitten hat. Seit 2016 haben wir uns deutlich weiter hin in Richtung Qualität verbessert und ebenfalls für Bertolli Originale deutlich aufgebaut. Wir führen regelmäßig externe Kontrollen durch und aktuelle Ergebnisse vom Deutschen Olivenöl Panel weisen hohe Harmonie-Werte aus.»

 

 

 

 

«Qualität hat ihren Preis.

Deoleos Olivenöle werden

deshalb teurer werden.»

- Pierluigi Tosato

 

 

 

 

Der Parameter «Harmony» wurde 2011 von Dieter Oberg, dem Leiter des Deutschen Olivenöl Panels, und Annette Bongartz, der Leiterin des Schweizer Olivenöl Panels, erfunden. Ich halte von diesem Parameter nicht sehr viel. Welche weiteren Panels bestätigen die Resultate des DOP?

«Wir haben zusätzliche externe Kontrollen in Italien, zum Beispiel bei Chemiservice. Dieses arbeitet bislang nicht mit «Harmony». Wir haben ebenfalls ein internes, professionelles Deoleo Panel, welches Workshops mit dem DOP und SOP für den Austausch durchführt und arbeiten daran, dass es offiziell anerkannt wird.»

 

Dürfen Schweizer Konsumenten, die ihre Olivenöle bei Denner, Spar, Manor, Volg und Co. einkaufen, zukünftig mit besserem Bertolli Originale Olivenöl rechnen? Und werden sie dafür mehr bezahlen müssen? 

«Bereits jetzt ist die Qualität besser und wir werden diese im Zug unserer Abkommen mit den Landwirten und Vereinen weiter verbessern. Den Endverbraucherpreis können wir nicht bestimmen, bei unseren Abgabepreisen werden aber Bewegungen sichtbar sein. Qualität hat ihren Preis.»

 

An der London International Olive Oil Competition hat Deoleo mit mir unbekannten Labels sehr gut abgeschnitten, bei Leone d’Oro gehören Öle von Deoleo zu den Finalisten. Dazu gratuliere ich Ihnen. Welches Ziel verfolgen Sie mit der Teilnahme an angesehenen internationalen Wettbewerben?

«Es ist die weit verbreitete Meinung, dass geblendete Olivenöle von schlechterer Qualität sind. Wir stellen mit unseren Award-SKUs unser Können unter Beweis: Geblendete Olivenöle können Weltklasse sein.»

 

 

Wird es die neuen Premium-Marken wie Bertolli Black Label oder Bertolli Premium Edition bald in europäischen Supermärkten zu kaufen geben?

«Wir haben letztes Jahr ein Award-SKU von Carapelli bei Kaufhof erfolgreich vermarktet. Dieses Jahr sind wir noch im Gespräch mit anderen europäischen Händlern – in den USA wurde darüberhinaus bereits grosses Interesse an den neuen Premium-Ölen Deoleos gezeigt.»

 

Ehrliche Extra Vergine Olivenöle sollen ihren wohl verdienten Platz im Regal finden. Das ist der Schlüssel zur Verbesserung der Situation.

«Genau. Lassen Sie mich deshalb zusammenfassend sagen, was wir mit Deoleo machen werden:

Wir werden die Landwirtschaft und die Olivenölindustrie professionalisieren, um besseres Olivenöl produzieren zu können. Das Marketing und den Verkauf werden wir weiterentwickeln, damit das neue Produkt seinen wohl verdienten Platz im Regal finden wird und von den Konsumenten gekauft werden kann. Dies alles werden wir tun, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Gesundheit des Konsumenten mehr wert ist als die Ersparnis von ein paar Euro-Scheinen, die er am Ende des Jahres durch den Kauf von gefälschtem, billigem Extra Vergine Olivenöl erzielen kann.»

 

Das wären dann die Stufen drei und vier, die Sie in Ihrem Buch beschreiben: “Ein Vertrauensklima fördern und einen gemeinsamen Traum erreichen”. Herr Tosato, ich will Ihnen gerne glauben. Vor allen Dingen würde ich es den Konsumenten gönnen, wenn diese endlich eine Chance auf Qualität beim Olivenölkauf bekämen.

 

Ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen bei Ihrer Mission weiterhin viel Erfolg. 

Vielen Dank.

THE MASTER SAYS:

«Echtes natives Olivenöl extra macht aus Gutem das Beste. Es bringt die Food Revolution in die Restaurants und in die Küchen zu Hause. Wer einmal echtes EXTRA VERGINE gekostet hat, weiss es fortan zu schätzen. Viel mehr noch: ....er differenziert damit das Gute vom Schlechten. Das ist gut so.»

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